Nach der strapaziösen Anreise von der Kölner Südstadt in Kölns fieseste Allzweckhalle auf die Schäl Sick, brauche ich erst mal einen Drink. Das Palladium ist ganz gut gefüllt. Warum dann nicht auch man selbst. Haha. Oh, Montagabend! Wen interessiert’s? Spirituosen sind aber anscheinend für eine potenzielle Druckbetankung nicht vorgesehen. Na dann, eben Plastikbecherbier mit Pfand. Aber was ist das für ein furchtbarer Krach, der meinem halbtauben Gehörsinn anscheinend den Rest geben will?
Mit meinen trüben Augen entdecke ich eine Ansammlung aufgedrehter Typen, die sich auf der Bühne wie die Wiedergänger des berüchtigten SAFRI DUOs benehmen. Eine gefühlte Ewigkeit versammeln sich mehrere männliche und anscheinend zum Äußersten bereite Millennials um irgendwelche Schlaginstrumente und bewegen sich bei einer perkussiven Effektdarbietung wie ein Volksstamm bei einer rituellen Zeremonie, kurz bevor die Katharsis einsetzt. Dazu läuft seltsamerweise Nu Metal Krach, den Linkin Park nicht verwenden würden. Deutschsprachig scheint es auch zu sein. Man erklärt mir, dass der Volksstamm sich wohl LEONIDEN nennen würde. Noch nie von denen gehört. Aber die Leute scheinen es ganz großartig zu finden. Beziehungsweise wirft keiner mit Plastikbecherbier. Im Herbst spielen die im Gebäude 9. Das ist gut. Da gibt es auch Spirituosen…
Irgendwann kommen dann auch FRANZ FERDINAND. So gut wie heute haben sie technisch noch nie gespielt. Okay, das ist Bullshit. Ich meine etwas anderes. Alex Kapranos, der dank seiner neuen wasserstoffblonden Frise wie ein wahnsinniger Klon aus dem jungen Otto Waalkes und Schorsch Kamerun aussieht, kann auf einmal richtig gut singen. Diese neue Erkenntnis wird später wieder relativiert. Man sagt mir, dass ich auf den neuen Keyboarder achten möge. Julian Victor Corrie aka Miaoux Miaoux unterstützt Kapranos tatsächlich beim Gesang. Aber trotzdem: der Frontmann macht wirklich einen guten Job. Nicht nur am Mikrofon. Zu seinen soliden Witzen (ob das Publikum aus Versehen auf dem Konzert gelandet wäre) peitscht er die Leute mit wilden Bewegungen an. Und nach kurzer Zeit ist die Stimmung wirklich sehr gut. Aber ganz ehrlich kommt es nicht rüber. Zu sehr konterkarieren seine Gesten die teilweise ziemlich zynischen Songtexte, wie z. B. bei „Lois Lane“. Und irgendwie fühlt es sich so an, als würde sich Kaparanos ein wenig über seine „neuen“ Zuschauer in der Allzweckhalle lustig machen. Vor drei Jahren mit den Sparks war er deutlich weniger aufgedreht. Es ist ein wenig wie mit Chucks, die man jetzt bei Real kaufen kann. Die Schuhe sind immer noch die gleichen. Jetzt gibt es sie sogar in besserer Qualität (Chuck II – oder eben FRANZ FERDINAND mit neuem Keyboarder /Backgroundsänger und neuem Gitarristen). Sie werden auch nicht verramscht. Aber die Coolness vergangener Zeiten ist irgendwie dahin. Die „Darts of pleasure“ werden heute Abend nicht geworfen und auch nicht gespielt. Nach 14 Songs ist erst mal Schluss. Für vier Zugaben kommen sie noch mal zurück und beenden ein souveränes Konzert mit „This fire“. Gut, dass es keine Spirituosen gab.
13. März 2018
Konzerterfahrungen bei Franz Ferdinand am 05. März 2018 im Palladium, Köln
by Björn Küster