Die Bedeutung von LET GO ist für Nada Surf in der Bandhistorie eine Besondere. Ohne dieses Album hätte die Band sehr wahrscheinlich nicht weiter existieren können. Der Hintergrund dazu ist ebenso besonders und soll hier zum besseren Verständnis erläutert werden.
Das Besondere ist dadurch bedingt, dass die Band schon an dem Nachfolger ihres Erstlings HIGH/LOW arbeitet, als der Song „Popular“ zu der DER Single des Albums wird, weil er auf allen Musikkanälen rauf und runter gespielt wird. Mit dem Zweitling PROXIMITY EFFECT werden die Erwartungen der Plattenfirma überhaupt nicht erfüllt, da das Management sich einen Verkaufsschlager erhofft, der bestenfalls eine Single in den Dimensionen von „Popular“ enthält. Dem ist nicht so, da PROXIMITY EFFECT eine inhaltliche Weiterentwicklung darstellt, da es wesentlich sperriger als der Vorgänger ist und nicht jeder einen Zugang dazu erhalten kann. Dieser wird den Fans kurzerhand durch die Plattenfirma erschwert, indem es nur in Europa veröffentlich wird. Der Band wird dadurch der wichtige Heimatmarkt versperrt. Doch damit ist der Verquickung noch nicht genug, da es noch einen Plattenvertrag gibt, der die Veröffentlichung eines dritten Albums bei der Plattenfirma vorsieht, woran diese jedoch kein Interesse hat. Die Auflösung des Spannungsbogens dieser Interessensfelder beschäftigt Anwälte, zieht sich über lange Zeit hin, in der Öffentlichkeit läuft die Band immer mehr in der letzten Rille und verschwindet fast vollends aus dem Aufmerksamkeitshorizont.
Aus dieser Not machen die Musiker um Matthew Caws eine Tugend und arbeiten neben den Beschäftigungen, denen sie zum Verdienst des Lebensunterhaltes nachgehen, ohne Vorgaben an neuen Stücken. Nachdem sich alle Streitigkeiten rechtlich auflösen lassen, stehen sie quasi mit einem neuen Album aber ohne den strukturellen Rahmen in Form von Management, Plattenfirma und Vertrieb da. Die Strategie der Band direkter Kontaktaufnahme zu Plattenfirmen fruchtet, es wird ein neuer Plattenvertrag abgeschlossen und sie veröffentlichen nach knapp 5 Jahren mit LET GO das dritte Album. Dieses überzeugt sowohl Fans als auch Kritiker und eröffnet der Band, die Möglichkeit Konzerte über den ganzen Erdball hinweg zu geben. Dadurch erspielen sie sich eine bis heute treue Hörerschaft. Daher erfreut die Tour-Ankündigung zum 15-jährigen Jubiläum des Albums sehr und diese Freude scheint nicht nur in Köln sondern in vielen anderen Orten geteilt zu werden.
Viele der Shows sind ausverkauft und der Zeitplan des Auftritts lässt Großes erwarten. Im ersten Teil wird das gesamte Album gespielt, um in einem zweiten Teil nach einer kurzen Pause Songs aus dem gesamtem Repertoire zum Besten zu geben.
Der Auftritt in Köln startet wie angekündigt pünktlich um 21:00 Uhr in einem bis zum letzten Platz gefüllten Bürgerhaus Stollwerck. Und während der ersten beiden Songs macht sich eine gewisse Ernüchterung breit, da der Sound definitiv ausbaufähig ist. Der stilistische Sprung vom Opener „Blizzard off ´77“ zum verzerrt rockigen „The way you wear your head“ wird vom Mischer leider nicht vollends mitgemacht. Die verzerrten Gitarren klingen krächzend, der Schlagzeugsound wirkt plärrig und der Bass variiert, indem er entweder gar nicht wahrgenommen wird oder den Sound der anderen Instrumente frisst. Die Stimme von Caws geht in dem Klanggewirr unter. Da es auch bei den beiden nächsten Songs nicht besser wird, versucht der Frontmann die ihm sichtlich unangenehme Situation nach einem vollends konturlosen „Blonde on Blonde“ durch die Aussage: „We´re catching sounds“, zu beschwichtigen. Der Mischer scheint bei der Jagd erfolgreich zu sein und der Klang im Bürgerhaus wird signifikant besser. „High speed soul“ wird in seiner straight-dreckigen Form auf die Boxen des Saals gebracht. Die Band entwickelt sichtlich mehr Spaß an dem Konzert und auch das Zusammenspiel wird lockerer. Nachdem der Sound der Band für das volle Bürgerhaus gefunden wurde, beginnt das Konzert quasi von Neuem. Der Dreierblock von „Killian´s Red“, „Là pour ca“ und „Happy Kid“ wird problemlos inklusive des Wechsels der Gesangsparts von Caws zum Bassisten Daniel Lorca bewerkstelligt. Die unterschiedlichen Arrangements der Stücke werden in ihrer Bandbreite in den Raum gebracht und Caws fängt daneben an, direkten Kontakt zum Publikum aufzunehmen. Letzter und wichtigster Indikator für die Änderung der Stimmung in der Band und den wesentlich besseren Klang im Bürgerhaus ist Schlagzeuger Ira Elliot. Während er bei den ersten 2/3 Songs des Konzerts sichtlich angestrengt seine Parts spielt, nimmt er ab dem erwähnten Dreierblock Blickkontakt zu den Zuschauern auf, schäkert mit Bandkollegen rum und spielt seine Parts aufreizend smooth und locker herunter. Nach dem letzten Song von LET GO „Paper Boats“ verabschiedet sich die Band in eine kurze Pause. Selbige wird genutzt um den Wasserhaushalt im sehr gut temperierten Bürgerhaus an diesem ersten warmen Abend des Jahres auszugleichen.
Die Pause wird zudem genutzt um einen Platz direkt vor der Bühne in Beschlag zu nehmen. Eine Entscheidung die dem Soundempfinden im Bürgerhaus noch einmal zu Gute kommt. Dieser zweite Teil lässt sich am Besten mit einem Ausdruck zusammenfassen: Absolute Spielfreude. Die Band hat Bock, wirkt etwas von der Leine gelassen und spielt sich in so einen Rausch, dass die über 40-Fraktion direkt vor der Bühne eine Partycrowd bildet als gäbe es kein Morgen. Die Band arbeitet sich von einem Highlight zum nächsten aus ihrem gesamten Repertoire und kann eigentlich nur in breit grinsende, zufriedene Gesichter schauen. Aus den Songs der Band sind bei dem Konzert als Highlights des 2. Teils „80 Windows“, „See these bones“ und „Always Love“ in Erinnerung geblieben. Nach dem Ende des regulären Sets kommen sie für eine Zugabe erneut auf die Bühne und lassen den grandiosen Abend mit „Popular“ und „Blankest ear“ gebührend ausklingen. Diejenigen, die das Nada Surf-Konzert an diesem Abend besucht haben, haben wenig verkehrt – um es korrekt auszudrücken – alles richtig gemacht. Es war uneingeschränkt ein Abend, den sich ein Konzertbesucher wünscht.