Als eine Gruppe von Jugendlichen vor elf Jahren genervt von den mangelnden Kulturangeboten in ihrer Heimatstadt Bonn kurzerhand beschloss, ein eigenes Musik-Festival auf die Beine zu stellen, hätten sie wohl nicht ahnen können, wo sie das einmal hinführen würde. Aus dem zur Bühne umfunktionierten LKW-Anhänger ist eine imposante Bühne geworden, die Gäste sind nicht mehr die Nachbarn aus dem angrenzenden Wohngebiet in Bonn-Vilich, sondern kommen aus allen Teilen der Republik angereist.
Letztes Jahr ging zwar unwetterbedingt so einiges Schief am 10. Geburtstag des Green Juice Festival, dafür sind dennoch einige tolle Neuerungen mit ins 11. Jahr des Festivals genommen worden. So fand auch in diesem Jahr im Vorfeld zum eigentlichen zwei-tägigen Festival ein ausgiebiges Warm-Up statt. Eine Woche lang spielten lokale Bands und Künstler in verschiedenen Bonner Locations kostenfreie Konzerte. Denn die Förderung der lokalen und regionalen unabhängigen Musikszene ist den Machern vom Green Juice Festival von Beginn an eine Herzensangelegenheit gewesen. Jedes Jahr bekommen Bonner Newcomer Bands die Möglichkeit, die beiden Festivaltage zu eröffnen. In der Vergangenheit durfte die Bonner Musikstation, eine Band aus ihrem alljährlichen Newcomer-Coaching nominieren, was sich zumeist als voller Erfolg erwiesen hat. Die Zusammenarbeit zwischen dem Festival und dem Musikförderprogramm scheint sich allerdings verlaufen zu haben, denn nun werden die Opener-Bands über den Band-Contest Toys’2’Masters ausgewählt. Das Konzept, die Gewinner des Contests die Bühne eröffnen zu lassen, ging jedoch wie bereits letztes Jahr, leider wieder daneben. Der Bandcontest ist ohnehin fragwürdig, da dort nicht unbedingt die Band mit dem meisten musikalischen Können gewinnt, sondern eben zumeist die, die den größten Freundeskreis zum Voting bewegen kann. Die Gewinner Attic können am ersten Festivaltag musikalisch zumindest überzeugen, lassen mit ihren Ansagen aber leider kaum Raum für ihr Können. Die Wahl, den Samstag mit den zweitplatzierten Elia beginnen zu lassen , die durch Textzeilen negativ auffallen, die als frauenfeindlich verstanden werden können, ist sehr schade, denn es gibt sehr viele talentierte Bands in Bonn, die eventuell besser geeignet wären.
Noch einen weiteren Dämpfer muss das Line-Up aushalten, als die Pop-Punk Größen Zebrahead aus den USA ihren Auftritt kurzfristig absagen müssen. Ersetzt haben sie Montreal, die schon zum dritten Mal auf dem Bonner Szene-Festival spielen durften. Dennoch sind insgesamt über 8000 Besucher am Freitag und Samstag in die sonst so beschauliche Wohngegend in Bonn-Vilich geströmt.
Anderweitig gibt es jedoch nichts an der Bandauswahl vom Veranstalter Julian Reininger auszusetzen. Die 8kids sorgen mit ihrem eindringlichen Sprechgesang für Gänsehaut unter dem am Freitag noch etwas wolkenverhangenem Himmel. Danach entfesseln Fjort mit ihrer unglaublichen Soundgewalt staubige Circle Pits und bringen hin und wieder sogar die PA zum übersteuern. Die Donots beschließen den ersten Festivaltag schließlich würdig und haben wohl auch die letzten schlechten Erinnerungen an den ins Wasser gefallenen ersten Festivaltag des letzten Jahres vergessen gemacht.
Am Samstag lassen die ersten Circle Pits nicht lange auf sich warten. Schon der zweite Act des Tages, An Early Cascade, verwandelt den Park in Neu-Vilich in eine staubige Wüste. Bei Abramowicz wird nicht mehr so viel gepogt, dafür umso mehr getanzt. Die Highlights des Tages, die Hoffnungsträger für die zukünftige deutschsprachige Gitarrenmusik, Van Holzen, und die Leoniden ziehen die Festival-Besucher schon am Nachmittag in Scharen vor die Bühne. Bei der Band aus Kiel erstreckt sich die Menschenmasse bereits über das gesamte Festivalgelände. Mit “Leoniden”-Fußballchören und lautstarkem Gejubel werden sie gefeiert.
The Subways aus England bringen das Green Juice Festival am Samstagabend schließlich unter einem Feuerwerksregen mit ihrem Hit “Rock’n’Roll Queen” zu einem krachenden Abschluss. Insbesondere nach den vergangenen Wochen, in denen Fans des Festivals bibbern mussten, ob es im nächsten Jahr wieder stattfinden kann, haben die zwei Tage Hoffnung auf eine Wiederholung 2019 gemacht. Vor allen Dingen falls alle Gäste der Bitte von Fjort-Bassisten David Frings Folge geleistet haben, und „wie die Kanülen“ gesoffen haben!