Eindrücke vom Phono Pop Festival 2012
no images were found
Yesterday Shop starten eine Stunde nach Eröffnung auf der großen Bühne. Die BesucherInnen, die es schon auf’s Gelände geschafft haben und noch auf den herumstehenden Bierbänken lümmeln, marschieren fix zur Bühne. Es ist ein treibendes, ein emotionales Spiel, das die Band da vollbringt. Zeitweise erinnern Parts an Coldplay, der Gesang hat die Klangfarbe des großen Chris Martin, nur jünger halt. Und frischer. Das Publikum? Längst wieder im Festival-Modus.
Yesterday Shop
no images were found
Wenig später spielen an gleicher Stelle die entzückenden Talking To Turtles, auf die der Reaktionen nach zu urteilen scheinbar schon eine Menge gewartet haben. Nicht verwunderlich, dass es zu ersten Stehplatz-Engpässen kommt. Multi-Instrumentalismus ist Quantität. Aber es ist auch das, was man hört, sieht, spürt. Es ist das, was Talking To Turtles mit Glanz und Gloria in die Tat umsetzen. Sei es das Glockenspiel, das wie glitzernde Flöckchen das Publikum berieselt oder das wohl hübscheste Akkordeon der Welt (zitronengelb mit silberner Ornamentik), jedes eingesetzte Instrument erlebt heute seinen Fame. Ruhm und Ehre für diese tolle Band.
Talking To Turtles
no images were found
Im Adamshof geht es gediegen weiter mit Rue Royale. Auch wenn nur ein Duo auf der Bühne steht, ist es genau diese Zweistimmigkeit, die eine Faszination auslöst. Wer es schafft mit so wenig Aufwand, aber doppeltem Einsatz, ein Set zu gestalten, dass es in sich hat, dem gehöre der größtmögliche Applaus. Rue Royale bekommen ihn. Und jede Menge neuer Fans obendrauf.
Rue Royale
no images were found
Eine weitere Überraschung ist der Auftritt von Urban Cone, einer jungen Band aus Schweden. Schweden. Da ist der Bonus irgendwie gleich mit dabei, warum auch immer. Das Publikum schätzt vereinzelt das Durchschnittsalter auf 15, findet die Jungs aber trotzdem gut. Natürlich sind sie schon offiziell Erwachsen. Nach dem Gig ist vor dem Gig, Urban Cone posieren unermüdlich und schreiben sich die Finger auf Armen, Beinen und T-Shirts wund. Ihr Sound? Very, Very episch.
Urban Cone
no images were found
Auch wenn sie nicht die offiziellen Headliner waren, sind es We Were Promised Jetpacks, denen die Ehre gebührt sich “Best Act“ nennen zu dürfen. Keine andere Band hat es geschafft die Menge so mitzureißen, sie in Trance zu spielen, sich in sie hart zu verknallen. Vielleicht ist es auch eine Art “Aufrütteln“, der Tag war bisher eher ruhig und anschmiegsam. We Were Promsied Jetpacks holen die BesucherInnen aus dem komatösen Zustand des vor sich hin Dümpelns und fordern zu Tanz und leistungsfähigem Hochsprung auf. Die Menge? Tobt. Vor Begeisterung, vor Entzückung, vor Glücklichsein. Wunderkerzen im dämmernden Rüsselsheim vermögen das zu sagen, was alle denken: Chapeau.
We Were Promised Jetpacks
no images were found
Mit ordentlich vorgeheizter Meute haben PTTRNS ein leichtes Spiel. Der Adamshof ist gerappelt voll, das Tanzbein wird getwisted, der Jubel geshouted. Aber auch wenn der Sound dieses Musik-Kollektivs verdammt gut ist, ist der gewollt hohe Gesang irritierend. Ein bisschen klingt der Keyboarder bei den Sopran-Passagen so, als imitierte er Prince, der grad zu viel Kreide gefressen hat. Schade irgendwie. Glücklicherweise nehmen es alle so hin wie es ist, nämlich als Spaß an der Freude und tanzen gegen den Abwärtstrend des Thermometers.
PTTRNS
no images were found
Die letzte Band, die große Hoffnung: Nada Surf sind angereist, um zu zeigen, dass sie es noch drauf haben: Die Veteranen des Alternative haben Bock. Leute vor der Bühne auch. Die zuvor aufgetretenen Bands mischen sich unters Volk, als seien sie nur für diesen Auftritt gekommen. Als sei die Stimmung noch nicht explosiv genug, stimmen ein paar Leute um kurz nach Mitternacht „Happy Birthday“ an. Das Geburtstagskind wird dieses Jubiläum sicher nie vergessen: Nada Surf bekommen das Ständchen mit und improvisieren kurzerhand ihre eigene Version des gesungenen Glückwunsches. Ein weiterer Punkt auf der Liste der Highlights. Große Band, großer Auftritt, auf Wiedersehen Phono Pop.
Nada Surf
no images were found
Der Indierock, was man auch immer dazu zählen mag, war nie komplexer als jetzt. Wie war das noch? „Zu viele Scheiß-bands, zuviel Hype“ – so formulierte es Casper. Aber nicht auf diesem Festival. Wer in letzter Zeit mal die Orientierung, die Liebe zum Indie verloren hat, hat sie auf dem Phono Pop definitiv wiedergefunden. Auch wenn der Wettkampf der Jutebeutel hier wohl sein Grande Finale hatte, waren es eben nicht Hipster, die sich und ihr individuelles Verständnis von Fashion zum Ausdruck bringen wollten. Nein, hier wurden Bands gefeiert, denen man allesamt Tribut zollen muss. Es wäre nicht nur schade, wenn das Altwerk tatsächlich abgerissen würde und hier in naher Zukunft eine überflüssige Shopping-Mall entstünde. Nein, es wäre ein Verbrechen. Ein Verbrechen, gegen das kulturelle Erbe, dass hier seinen Platz längst gefunden hat.
Fotos vom Festival: Juli L.