Dass die Fortsetzung des einflussreichen, aber natürlich mitteldoofen Desaster-Filmklassikers TWISTER aus dem Jahr 1996 ein durchaus interessanter und relevanter Film geworden ist, kann jetzt schon definitiv unter den Kino-Highlights von 2024 vermerkt werden.
Als 1996 der Katastrophenfilm „Twister“ vom Niederländer und ehemaligen Kameramann Jan de Bont in die Kinos kommt, reichen ein mittelprächtiges Drehbuch und State-of-the-Art CGI für einen zweiten Platz auf der Jahresliste der weltweit erfolgreichsten Filme. Bei einem Budget von 90m und einem Einspielergebnis von knapp 500m, kein schlechtes Geschäft für Warner, Universal und Spielbergs Amblin Entertainment. Die Fortsetzung kostet die erneut alle drei zusammen produzierenden Unternehmen diesmal 200m. Dafür sieht der Film jedoch deutlich günstiger aus als das Original. Das liegt an der Ästhetik des Arthaus-Regisseurs Lee Isaac Chung. Der inszeniert seinen Film hauptsächlich in Halbtotalen und Close-Ups. Spektakuläre Dolly-Shots wie im 1996er Film bleiben die Ausnahme. Dazu verzichtet er auf eine nervige Schnittfrequenz, wie bei Michael Bay Filmen. So bleibt seine Bildsprache immer übersichtlich. Das ist aber eigentlich alles ziemlich egal. Chung hat verstanden, dass allein spektakuläre Effekte im Jahr 2024 keinen mehr ins Kino locken. Die gibt es zwar auch. Aber die unterstützen tatsächlich die Geschichte, die sich auf die Figuren konzentriert.
Im Mittelpunkt steht die ehemalige Sturmjägerin Kate, die nach einem furchtbaren Unglück, bei dem sie ihre engsten Freunde und Mitstreiter verloren hat, jetzt ihr Dasein bei einem Schreibtischjob in der Großstadt fristet. Die zweite Hauptfigur – Tyler – ist ebenfalls ein Sturmjäger. Der hat jedoch anscheinend nicht unbedingt einen wissenschaftlichen Hintergrund, sondern betreibt sein Geschäft für Views auf YouTube. Denkt man jedenfalls. In diesem Blockbuster ist nämlich jeder etwas anderes, als man anfangs denkt. Das „Citygirl“ kommt auch aus dem Heartland. Der YouTuber hat das Herz am rechten Fleck. Und der angebliche Heilsbringer ist am Ende ein schnöder Immobilienhai.
Auf Amerikas bekanntesten Immobilienhai wurde am Wochenende geschossen. Ob der jetzt beim Nominierungs-Parteitag versöhnlichere Töne als in der Vergangenheit anschlagen wird, bleibt abzuwarten. Der von Spielberg produzierte Film schlägt diese Töne aber auf jeden Fall an. Oft ist die Message von solchen Filmen etwas plump gestaltet. In diesem Fall hat man sich aber für Subtilität statt Holzhammer entschieden.
Dass zum Beispiel der Terminus „Klimawandel“ nicht explizit fällt, ist so eine weise Entscheidung der Autoren. Da gewisse Teile der (amerikanischen) Wählerschaft diesen sowieso als Fake News ablehnen, muss man sie auch nicht damit triggern. Der Klimawandel ist aber natürlich in TWISTERS omnipräsent. Das Drehbuch löst das wirklich sehr smart. Man kann TWISTERS tatsächlich als Angebot für Swing-State Voters lesen. Wem diese Deutung zu weit geht, muss aber anerkennen, dass TWISTERS der Bevölkerung im Heartland – der Film spielt in Oklahoma – zumindest schmeichelt. Das mag vielleicht manchmal für europäische Zuschauer etwas befremdlich wirken, wenn schon wieder die amerikanische Flagge (auch im Kostümbild) gezeigt wird, oder die Protagonisten gemeinsam beim Rodeo chillen. Entsprechende (Country-)Songs wurden für die Needledrops ausgewählt. Das wird die internationale Geschmackspolizei vielleicht sogar ganz schrecklich finden. In der Pressevorführung konnte man bereits einen Eindruck davon erhaschen. Aber wie hat es der legendäre ehemalige RTL-Programmdirektor Helmut Thoma einmal treffend formuliert: „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“
Kinostart: 18. Juli 2024
Warner Bros. Entertainment GmbH
USA 2024 / 123 Minuten / FSK: ab 12
Foto: © Universal Pictures, Warner Bros. Pictures and Amblin Entertainment