Normalerweise brechen in deutschen Wellness-Komödien irgendwelche Unsympathen irgendwo aus, anschließend auf zum Meer und am Ende sind alle froh. In der neuen Komödie des Filmfördergeld-Einsammel-Genies und High-End Audio Fetischisten (mal drauf achten!) Florian Goller, wird das Genre um die Thematik des Sterbens erweitert. Angesichts des Alters der Kernzielgruppe, den Boomern, erstmal eine logische Entwicklung. Es scheint sich auch um einen ganz neuen Trend im deutschen Mainstream-Kino zu handeln, bei dem die Harfouch ganz vorne mit dabei ist. Dazu später mehr.
Geheimer Müll
Ich muss gerade schauen ob schon die Sperrfrist für Veröffentlichungen und Kritiken zu dem Film abgelaufen ist. Ich musste mit einer Mischung aus dem Blut von René Jamm und der Kokskruste von Anika Decker unterschreiben, dass ich vor dem 04. September nicht über den Film schreibe oder ihn auf einem dieser Portale wie Letterboxd bewerte. Warum wohl?
Nicht lustig
In “Die Ironie des Lebens” (der Titel verspricht einen guten Treppenwitz am Ende) findet ein geschiedenes Ehepaar, dargestellt von Uwe Ochsenknecht und Corinna Harfouch, durch die Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung von Harfouchs Figur wieder zueinander. Ochsenknecht spielt einen Comedian, der in Locations von der Größe des Tanzbrunnen-Theaters auftritt, jedoch in einer Villa lebt, die auch einem Dax-Vorstand gehören könnte. Das erste große Problem des Films ist, dass die vorgetragenen Witze, Monologe etc., die man Ochsenknecht ins Drehbuch geschrieben hat, leider nicht ein einziges Mal auch nur im Ansatz irgendwie lustig sind. Es kann aber auch sein, dass der Film eine Dystopie ist. Jeder kennt diese reaktionären Facebook-Seiten, auf denen in Posts behauptet wird, wie toll früher alles war: deutsche Fußgängerzonen in den 1970er Jahren, Autofahrten in den Urlaub mit Landkarten statt Handy, Vergewaltigung in der Ehe, keine Ausländer. Diese Themen, von einem professionellen Entertainer vorgetragen, scheinen in der Welt des Goller-Metaverse das große neue Ding der Unterhaltungsbranche zu sein.
Marley & me
Weil dieser Text vielleicht für manche schon jetzt ziemliche Arschloch-Vibes ausstrahlt, möchte ich an dieser Stelle bereits spoilern / verraten, damit man nicht weiterlesen muss, dass Harfouchs Figur am Ende abkratzt. Die Ironie des Lebens soll sein, dass der unsympathische und endzynische Ochsenknecht am Ende wieder die Liebe zu seiner Ehefrau wiederfindet. Harfouch hat ja schon viel Erfahrung mit Tod und Todesfällen in Beziehungskomödien, wie (erst neulich) in “Sterben” und in “Der Untergang”. In dieser neuen Variante hat man ihre Figur nicht mit einer Backstory, die über sterbenskrank, therapieunwillig und Mutti hinausgeht, belasten wollen. Ihr Charakter hat in “Die Ironie des Lebens” exakt dieselbe Funktion, wie der Köter in dem Hundefilm “Marley and Me”. Nämlich, dass er ziemlich knuffig schauen und bitte unbedingt am Ende draufgehen soll. Job erledigt!
Filmförder-Töpfe
Am Anfang erwähnte ich bereits die einzig bemerkenswerte Qualität der Filme des Florian Gollers: das Einsammeln verschiedener regionaler Förder-Gelder. In “25 km/h” hat man sich immerhin noch die Mühe gemacht, dass die gezeigten Locations zu den behaupteten Filmregionen passten. Im neuen Film, der sich ja auch an Scheintote richtet, hat man sich diese Mühe nicht mehr gemacht. In einer Szene geht Ochsenknecht in Hamburg aus dem Hotel und spaziert dann durch einen Tunnel in der Kölner Nordstadt.
Gewollt, aber nicht gekonnt, oder uns doch scheißegal
Neben den Drehbuchproblemen gibt es auch unübersehbare Mängel bei Regie und Kamera. In einer frühen Szene im ersten Akt, rennt Ochsenknecht nur mit einem Bademantel bekleidet über die Aachener Straße in Köln, um einen Linienbus zu erreichen, in dem sich seine Frau befindet, die er dort zur Rede stellen will. Wer jetzt eine raffinierte Plansequenz, wie im mit dieser Szene zitierten “Birdman” erwartet, wird selbstredend enttäuscht sein. Aber auch Mini-Erwartungen werden enttäuscht. Nicht einmal das Herausarbeiten der Seltsamkeit dieses Zusammentreffens; eines Bademantel-Menschen mit anderen Fahrgästen, einzufangen eventuell mal mit einer Totalen, die das seltsame Paar und die anderen Gäste zusammen zeigt, gelingt der Regie. Sie bleibt die ganze Zeit in Close-Ups und Halb-Totalen. Das ist ganz einfach nur Faulheit und / oder totales Unvermögen bei den Dreharbeiten. Übersetzt: die totale Publikumsverachtung! Heruntergekurbelter Ultraschrott als Content für irgendwelche Weiterverwertungen. Direkt als Abschreibe-Projekt eingeplant. Dass Harfouch und Ochsenknecht gute Schauspieler sind, haben die beiden oft genug bewiesen. Dass beide wirklich gut singen können, hatte man irgendwie vergessen. Ochsenknecht war in den 1990er Jahren ja sogar mal für einige Zeit als Sänger unterwegs; mit eigenen CDs, Konzerten und TV-Auftritten. Oder war das Heiner Lauterbach?
Jedenfalls gibt es nach dem ersten Akt, der überhaupt nichts davon erzählt, was eine Annäherung von Marley, äh, Harfouch an Stinkstiefel Ochsenknecht nachvollziehbar macht, eine Szene in einem leeren Saal, nach einer Ballnacht. Harfouch und Ochsenknecht sitzen gemeinsam am Klavier und singen „ihre alten Lieder“. Das tun die beiden wirklich sehr gut. In der Szene wird dann endlich etabliert, dass es zwischen den beiden doch noch knistert. Hier müsste jetzt unbedingt ein Money-Shot her. Stattdessen passiert bei der Inszenierung NICHTS. Beide werden wieder in diesen Halbtotalen in Szene gesetzt. Es ist zum Verzweifeln.
Der auch noch
Am Ende darf auch noch Harfouchs Sohn Käptn Peng Robert Gwisdek, in der Rolle des wütenden Sohns, etwas rumpöbeln. Das hat man auch schon tausendmal gesehen. Sein Text wurde wahrscheinlich von einer KI mit dem Prompt: Stelle eine Vater-Sohn-Konflikt Bullshit-Bingo Auswahl zusammen! Immerhin: Nach 100 Minuten wird dann endlich gestorben. Dazu legt Ochsenknecht eine Platte mit dem Lied der Ballnacht auf und Zakk: Überblende zur Boho-Til-Schweiger Beerdigung mit weißem Sarg und Luftballons. Hurra!
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