Nach fünf Jahren ohne Konzert in Deutschland ist Mike Skinner alias THE STREETS 2024 mit zwei gefeierten Shows zurückgekehrt: in der Berliner Columbiahalle und beim Elbjazz Festival in Hamburg. Beide Auftritte wurden vom Publikum frenetisch aufgenommen und von der Presse als Beleg dafür gewertet, dass Skinner auch 20 Jahre nach seinem Debüt nicht an Relevanz eingebüßt hat – weder musikalisch noch erzählerisch. Im Zentrum stand ein neues Werk, das gleichzeitig Album und Film ist: „The Darker the Shadow The Brighter the Light“.
THE STREETS war von Anfang an ein Projekt, das das Banale ernst nahm und in den Mittelpunkt stellte. Skinner erzählte nicht vom Glamour, sondern vom Weg zur Bushaltestelle nach einer durchzechten Nacht. Seine Texte wirken wie mitprotokolliert – lakonisch ohne Pose. Die verwischten Nächte in der Vorstadt, Streitereien im Taxi, das Aufwachen auf dem Küchenboden. Was als trockener UK-Garage begann, wurde mit „A Grand Don’t Come for Free“ zum Erzählalbum – ein Konzept im Hoodie. Zuletzt kehrte Skinner mit einem neuen Format zurück: einem Film, den er selbst geschrieben, gedreht, geschnitten und finanziert hat. Ein Werk über Nachtleben, Schuld und Verschwinden. Das Album bildet den Soundtrack.
Skinner ist darin nicht mehr der Beobachter, sondern die Hauptfigur. Ein DJ, der in eine Drogengeschichte hineingezogen wird. Der Film ist keine Erweiterung des Albums, sondern dessen Ausgangspunkt. Die Songs wirken wie Kommentare, manchmal wie Schnittmarken. Auch live entfalten sie diese Struktur. „Too Much Yayo“ oder „Troubled Waters“ funktionieren dabei weniger wie typische Singles, sondern eher als erzählerische Brücken. „Bright Sunny Day“ schwankt zwischen sarkastischem Witz und Kalenderweisheit. Nicht alles funktioniert. Doch Skinner zieht das kritische Fazit selbst: „You make plans with morons, you’re powerless to misfortune.“
Musikalisch ist das neue Material überraschend fokussiert. „Someone Else’s Tune“ erinnert in der Synth-Textur an Giorgio Moroder, „Gonna Hurt When This Is Over“ bringt Sitar-Klänge ohne Pathos. Das Instrument wird definitiv nicht dazu eingesetzt, um eine Spiritualität zu behaupten oder noch schlimmer – um Lounge-Stimmung zu stiften. Im Ganzen sicherlicher keine Neuerfindungen, aber eben auch keine bloße Wiederholung. Die Beats sind klarer, der Bass druckvoll, der Flow zurückgenommen – weniger hektisch, aber dichter.
Die Setlists der aktuellen Shows zeigen eine klare Dramaturgie: „Fit But You Know It“, „Blinded by the Lights“, „Dry Your Eyes“ fehlen nicht, stehen aber nicht im Mittelpunkt. „Never Went to Church“ ragt heraus, schlicht und wirkungsvoll. „Weak Become Heroes“ wirkt wie ein nostalgischer Blick zurück auf ein Milieu, das Skinner einst prägte. Dass diese Stücke heute wieder gespielt werden – im Wechsel mit neuem Material – ist kein Rückgriff, sondern bewusste Neuordnung.
Mike Skinner hat sich mit diesem Projekt Zeit gelassen. Der Film, das Album, die Shows – sie wirken nicht wie ein Comeback, sondern wie ein Arbeitsschritt, der jetzt einfach mal an der Reihe war. Am Sonntag spielt er in Köln, danach folgen München, Berlin und Hamburg (ausverkauft). Man wird sehen, wie weit ihn dieser Abschnitt noch trägt. Fürs Erste scheint alles am richtigen Platz.
Tickets findet man hier.
Foto: Ben Cannon